Die Wandmalereien der Gamburg

Ausschnitt Nordwand, Adrianopel
Ausschnitt Nordwand, Adrianopel

Ein erstaunlicher Fund

  Vor 28 Jahren machte Baron Hans-Georg von Mallinckrodt, der heutige Eigentümer der Gamburg, einen erstaunlichen Fund. In der eigentlichen Absicht die Räumlichkeiten des historischen Palas für Wohnzwecke nutzbar zu machen, stieß er dort bei Renovierungsarbeiten auf bemerkenswerte Farbreste, unter der inneren Putzschicht der alten Wände. Was er hier auf einer tiefer gelegenen Kalkschicht an erkennbar alten Linien vorfand, ließ ihn ahnen, dass alles was unter der aufgebrochenen Wand verborgen schien, Teil eines größeren Ganzen war. So machte er sich an die mühevolle Arbeit, Zentimeter um Zentimer, einen Teil der Fläche an der Nordwand des Palas, von ihrer äußeren Schicht zu befreien und was dabei hervor kam ist nicht weniger als eine kleine archäologische Sensation.

 

  Es blieb nicht dabei die Nordwand über weite Flächen Stück für Stück zu entblättern, sondern es folgten weitere Stichproben an den verschiedensten Stellen des großen Palas und es sollte sich herausstellen, dass der alte Saal ein wahres, überaus komplexes Fundstück barg, das alle bisherigen Annahmen um sein historisches Alter, insbesondere auch was die kunst- und bauhistorische Einordnung und Bedeutung betraf, auf den Kopf stellte. Was äußerlich als Renaissancebau, den man altersmäßig der Mitte des 16. Jahrhunderts zuordnen durfte, daher kam, entpuppte sich als ein Gebäude das zweifelsfrei der Romanik entsprungen war, mithin einer gänzlich anderen Epoche, der Frühzeit der Gamburg. Neben zahlreichen Resten von historischen Wandmalereien, die nun im wahrsten Sinne des Wortes scheibchenweise aus dem Dunkel der Geschichte ans Tageslicht kamen, versteckten die alten Gemäuer auch eine, nun zum Vorschein kommende, den gesamten Saal umfassende Kette von Arkardenbögen aus Sandstein, in einer bildhauerischen Qualität gearbeitet, dass es dem heutigen Betrachter schlichtweg den Atem verschlägt.

 

Was man heute sieht

Palasbesichtigung der Wissenschaft
Palasbesichtigung der Wissenschaft

  Wie sich im Laufe der darauf folgenden Jahre herausstellte, war das Palasgebäude Mitte des 16. Jahrhunderts, unter dem damaligen Besitzer Eberhard Rüdt von Collenberg, dem vorherrschenden Zeitgeist entsprechend, in ein Gebäude im Stile der Renaissance gewandelt worden. Dabei zögerte man nicht, die einstmals wunderbar gearbeiteten Arkaden unter einer neuen Putzschicht zu vermauern und zu verbergen und gleichzeitig, einem "modernen" Gedanken folgend, für neue Fensteröffnungen zu durchbrechen, in nicht geringem Umfang also zu zerstören!

 

  Nach all den inzwischen vergangenen Jahren, seit ihrer Entdeckung und zahlreichen Öffnungs- und Bergungsarbeiten, auf der Suche nach dem Ursprungszustand des Palas, findet man heute einen knapp 130 qm großen Saal vor, dessen alte Arkaden nun wieder sichtbar sind. Teilweise ist das nur noch in Fragmenten der Fall, denn die Maurersleute der Renaissance haben ganze Arbeit geleistet, doch die bestechend hohe Qualität der Steinmetzarbeiten lässt auch heute noch jeden Besucher in staunender Bewunderung zurück.

 

  Wandmalereien sind inzwischen an zahlreichen Stellen der alten Mauern freigelegt worden, unklar bleibt, was der bislang ungeöffnete Teil der alten Wände vielleicht noch an Geheimnissen bergen könnte. Die Deutung, der im Secco-Stil einstmals farbig aufgetragenen Gemälde, ist noch längst nicht abgeschlossen. Natürlich findet man sie nicht mehr in der ursprünglichen Farbkraft vor, sie wurden bislang auch noch nicht abschließend restauriert, doch haben sie unter dem Schutz des Kalkputzes die Jahrhunderte, trotz alledem, erstaunlich gut überstanden. Was aber die Nachforschungen der Jahre nach ihrer Entdeckung ergeben haben: es handelt sich um die ältesten profanen Wandmalereien nördlich der Alpen! Dies war und ist eine archäologische Sensation und hebt den Palas der Gamburg, mit seinen historischen Malereien, auf den Rang eines kunsthistorischen Bauwerks von nationaler Bedeutung.

Die zeitliche Einordnung

Goswin von Mallinckrodt erläutert die Wandmalereien
Goswin von Mallinckrodt erläutert die Wandmalereien

  Die Gamburg wurde dem Geschlecht der wohlhabenden Edelfreien von Gamburg, die auch zu den Stiftern des nahegelegenen und der gleichen Zeit zuzuordnenden Klosters Bronnbach gehörten (siehe auch -> Fotografische Themen), 1157 vom Mainzer Erzstift zu Lehen gegeben. Der noch heute ausgezeichnet erhaltene Bergfried der Gamburg dürfte in der Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet worden sein, das Palasgebäude wohl in den 1180er Jahren.

 

  Beringer der Jüngere, etwa 1164 geboren, wird heute als der Auftraggeber für die historischen Wandgemälde angesehen, dafür gibt es gute Gründe und aus alledem entspringen auch die zeitlichen Zuordnungen der Entstehung.

 

  1189 bis 1190 fand der Kreuzzug Kaiser Friedrichs I., genannt Barbarossa, als Teil des III. Kreuzzugs statt. Beringer gehörte zu den zahlreichen Vertretern des Adels, die mit ihren Gefolgsleuten, im Namen des Glaubens, unter Friedrich I. ins Heilige Land zogen, das scheint aus heutiger Sicht gesichert. Während Barbarossa, auf dem Anmarsch gegen die Heere des Sultans Saladin, im Flusse Saleph jämmerlich ertrank und wie viele andere Kreuzügler auch, von der gefährlichen Reise nicht mehr lebend nach Hause zurückkehrte, überlebte Beringer der Jüngere die Schlachten gegen Saladin.

 

  Die Fachwelt ordnet die Wandmalereien, aufgrund der Erwähnung des Würzburger Bischofs und kaiserlichen Kanzlers Gottfried, ebenfalls Teilnehmer des III. Kreuzzugs, auf lateinischen und frühen deutschsprachigen Inschriften entlang der Szenenbilder, als eine auf persönliche Erinnerungen beruhende, komplexe "Memorial-kultur" (Rückert) ein. Die bislang festgestellten Bildzusammenhänge zeigen durchweg Szenen, die auf die Geschichte des III. Kreuzzugs hinweisen:

 

  • Nordwand: Der Einzug Barbarossas mit seinem Heer in Adrianopel und die Überfahrt über den Hellespont
  • Inschriften: (BIS)ChOF•GODEF(RID) und GODEFRID´(US)•ĒP(ISCOPU)S, der Bischof von Würzburg
  • Nördlicher Teil der Ostwand: Eine (noch) undefinierte Stadtdarstellung und das Gefecht vor Philadelphia
  • Südlicher Teil der Ostwand: Noch undefinierte Kampfszenen mit Schriftzug
  • Südwand: Eine auf Grund der noch nicht untersuchten Restwand noch undefinierte Karrenszene

 

  Beringer stirbt 1219, ohne männlichen Erben, daraufhin übernimmt das Bistum Mainz die, bis dahin an Beringer, belehnte Burg und besetzt sie mit einer Burgmannschaft. Diese Mainzer Burgmannen hätten kaum Interesse daran gehabt, die glorreichen Taten des Würzburger Bischofs abzubilden, mit dem Beringer auf dem Kreuzzug war. Vielmehr wurden die Wandmalereien im Laufe des 13. Jahrhunderts überputzt und in die Arkaden kleinere, gotische Fenster eingebaut. Insofern erscheint die Zuordnung der Malereien, auf die Lebenszeit Beringers, als die einzig plausible Schlussfolgerung. Ein weiteres, wichtiges Argument für diese Datierung ist, dass es sich bei den Malereien um die Erstausmalung des Palas-Saales handelt, da sie die unterste Farbschicht auf dem Innenputz bilden. Damit stellen sie die einzig erhaltene Originalausmalung eines Palas-Saales überhaupt dar.

Inrarot-Aufnahme eines Arkadenbogens mit Marmorierung (2013)
Inrarot-Aufnahme eines Arkadenbogens mit Marmorierung (2013)

  Doch in den letzten Jahren haben noch weitere Untersuchungen diese Auffassung bestärkt. Systematische Infrarot-Aufnahmen der Wände und der Arkadenbögen haben deutliche Zeichnungsspuren (Marmorierungen) dokumentiert, die sowohl in den Malereien als auch an den Arkaden auftauchen, also zeitgleich und aus einem Guss gefertigt worden sind. Es handelt sich zweifellos um einen künstlerischen Zusammenhang, ein künstlerisches Gesamtkonzept, wie Goswin von Mallinckrodt, Sohn des Hausherrn und gelernter Kunsthistoriker, konstatiert. Dass die Steinmetzarbeit an den Arkaden große Ähnlichkeiten mit den Arbeiten im Kloster Bronnbach aufweisen, deren Alter dokumentiert ist, ergibt einen weiteren Baustein in der zeitlichen Zuordnung.

 

  Dies alles lässt den Schluss zu, dass die Malereien vor dem Tode Beringers von Gamburg 1219 entstanden sein müssen. Dass die künstlerische Qualität und insbesondere die bereits vorhandene Dreidimensionalität, mit perspektivischer Anordnung der Darstellungen, als eine weitere, großartige Facette dieses einmaligen Palassaales zu würdigen sind, kommt noch hinzu und macht die wunderbare Gamburg zu einem hochinteressanten Ziel für jeden kunsthistorisch interessierten Reisenden.

 

  Besucher werden vom Hausherrn, Hans-Georg von Mallinckrodt, oder von dessen Sohn, Goswin von Mallinckrodt, höchstpersönlich durch die Räumlichkeiten geführt und die Eigentümer kennen wahrlich jeden Zentimeter ihrer Wände. Die Malereien bedürfen der Erläuterung, erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Doch wenn die beiden Mallinckrodts bei ihrer geliebten Geschichte der Gamburg angekommen sind, gibt es kein Halten mehr und die einzelnen Puzzles an der Wand werden zu überaus lebendiger Geschichte, ein ganz besonderes und mehr als empfehlenswertes Erlebnis! Und wer dabei noch in den Genuss der Gastfreundschaft der wunderbaren Hausherrin, Nicole von Mallinckrodt, gekommen ist, wird eine unvergessliche Erinnerung mit nach Hause nehmen.

Baumeisterdarstellung im Palas der Gamburg
Baumeisterdarstellung im Palas der Gamburg

Die Infrarotaufnahmen der Wandmalereien

  In der nachstehenden PDF ein Artikel der Wertheimer Zeitung vom 11. Juli 2012 über die Untersuchung der Wände im Palas der Gamburg mit Infrarotaufnahmen:

 

An dieser Stelle herzlichen Dank an Goswin von Mallinckrodt für die großartige fachliche Unterstützung!

 

Weiterführende Informationen zur Gamburg, Öffnungszeiten, Kontakt, Programm:  www.burg-gamburg.de